Stellungnahme des Sachverständigenrats zum deutschen Restbudget erfordert Nachschärfung der deutschen Klimaziele

Am 15. Juni 2022 veröffentlichte der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen (SRU) seine Stellungnahme „Wie viel CO₂ darf Deutschland  maximal noch ausstoßen? Fragen und Antworten zum CO₂-Budget“. Darin hat der SRU auf Grundlage neuster wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Berücksichtigung des 6. Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) das verbleibende Treibhausgasbudget für Deutschland aktualisiert. Nach den Berechnungen des SRU darf Deutschland ab 2022 nur noch 3,1 Gigatonnen CO2 emittieren, um den globalen Temperaturanstieg mit 50 % Wahrscheinlichkeit auf 1,5°C zu begrenzen. Zur Einhaltung von 1,75°C mit 67 % Wahrscheinlichkeit verblieben lediglich 6,1 Gigatonnen CO2. Eine Gigatonne sind 1000 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: Nach Angaben des Umweltbundesamtes lagen die deutschen Gesamtemissionen im Jahr 2021 bei 762 Millionen Tonnen.

Das verbleibende CO2-Budget ist demnach bei linearer Reduktion der Emissionen bereits im Jahr 2031 (für 1,.5°C) bzw. 2040 (für 1,.75°C) aufgebraucht. Damit sind jedoch die Ziele aus § 2 Klimaschutzgesetz nicht vereinbar, die Klimaneutralität erst zum Jahr 2045 vorsehen.

Artikel 20a GG und das darin enthaltenen Klimaschutzgebot verpflichten die Gesetzgebung, das Klimaschutzgesetz an diese Berechnungen anzupassen und die Minderungsziele entsprechend nachzuschärfen. Zwar hat die Stellungnahme des SRU lediglich empfehlenden Charakter, doch kommt dem ermittelten Budget durchaus verfassungsrechtliche Bedeutung zu:

So hat sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zum Klimaschutzgesetz vom 24.03.2021 explizit auf die Berechnungen des SRU bezogen, um dessen Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu überprüfen. Das vom SRU ermittelte Restbudget stelle zwar kein zahlengenaues Maß für die Bewertung der Verfassungsmäßigkeit des Klimaschutzgesetzes dar, müsse aber dessen Grundlage bilden: „Obwohl die konkrete Quantifizierung des Restbudgets durch den Sachverständigenrat nicht unerhebliche Unsicherheiten enthält, müssen ihm die gesetzlichen Reduktionsmaßgaben Rechnung tragen.“ (Rn. 229). Dabei muss das Ambitionsniveau stets an die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst werden (Rn. 212). Diesbezüglich verpflichte das umweltvölkerrechtliche Sorgfaltsgebot (precautionary principle) zu besonderer Vorsicht beim Umgang mit wissenschaftlichen Ungewissheiten: „Hinsichtlich der Gefahr des irreversiblen Klimawandels muss das Recht daher auch den aus einem qualitätssichernden Verfahren hervorgegangenen Schätzungen des IPCC zur Größe des verbleibenden globalen CO2-Restbudgets und den Konsequenzen für verbleibende nationale Emissionsmengen Rechnung tragen, wenn diese auf die Möglichkeit der Überschreitung der verfassungsrechtlich maßgeblichen Temperaturschwelle hinweisen.“ (Rn. 229). Zusätzlich hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass die Ausrichtung der Klimaschutzbemühungen an einem Temperaturziel von 1,75°C  nicht den Vorgaben des Pariser Klimaabkommens entsprechen dürfte (Rn. 235).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe kann aber das Klimaschutzgesetz in seiner derzeitigen Form kaum mehr als mit dem Klimaschutzgebot aus Art. 20a GG vereinbar bezeichnet werden. Eine Verschärfung der Ziele ist daher dringend geboten.