Stellungnahme von Green Legal Impact e.V. zum Entwurf des BMWK zur Änderung des Klimaschutzgesetzes: Entwurf erhöht die Gefahr einer Verfehlung der Klimaziele

19. Juni 2023

Mit dem vorliegenden Entwurf setzt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die
Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom 28. März 2023 zur Novellierung des Klimaschutzgesetzes
(KSG) um. Statt die Klimaschutzarchitektur des KSG konsequent an den verfassungsrechtlichen
Vorgaben sowie den Zielen des Pariser Übereinkommens auszurichten und der absehbaren
Zielverfehlung entgegenzuwirken, wird in dem Entwurf die Bedeutung der Sektorziele und damit die
Ressortverantwortlichkeit als wichtiges Element der bisherigen Governance-Struktur des KSG
empfindlich geschwächt. Dringend notwendige Klimaschutzmaßnahmen drohen durch die
Umgestaltung weiter verzögert und die erforderlichen Transformationsprozesse gehemmt zu werden.
Dadurch erhöht sich die Gefahr einer Verfehlung des Klimaschutzziels für 2030 und die Verletzung der
verfassungsrechtlichen Klimaschutzverpflichtungen. Bedenklich ist vor diesem Hintergrund
insbesondere, dass das gleichzeitig vorgelegte Klimaschutzprogramm nicht ausreicht, die Lücke bis
2030 von etwa 200 Millionen Tonnen CO2-eq zu schließen und damit ein Nachsteuern eigentlich schon
bei Erlass des Gesetzes erforderlich macht. Zu begrüßen ist hingegen die grundsätzliche Beibehaltung
eines Budget-Ansatzes und die Stärkung der Rolle des Expertenrats für Klimafragen.

Stellungnahme zu den Ermittlungen gegen die „Letzte Generation“

25. Mai 2023

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat in mehreren Bundesländern Durchsuchungen und Beschlagnahmungen gegen Angehörige der „Letzten Generation“ veranlasst. Sie ermittelt wegen des Verdachts der Bildung oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.

Die Strafbarkeit der Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung regelt § 129 StGB. Voraussetzung ist zunächst, dass der Zweck der Vereinigung auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet ist. Die bevorzugte Protestform der letzten Generation ist das Blockieren von Straßen, einschließlich Autobahnen. Dabei kann der Tatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllt sein, wenngleich die Frage der Verwerflichkeit bislang von Behörden und Gerichten unterschiedlich behandelt und Aktivist*innen auch vereinzelt freigesprochen wurden. Hinzu kommen einzelne Aktionen, die sich gegen Kunstwerke, Gebäude (z.B. die SPD-Parteizentrale) oder Monumente richten und Sachbeschädigungen (§ 303 StGB) darstellen können. Sofern sich vereinzelt Proteste gegen Öl-Raffinerien und Pipelines richteten, steht zudem der Vorwurf der Störung öffentlicher Betriebe (§ 316b Abs. 1 Nr. 2 StGB) im Raum. Die Letzte Generation wählt bewusst Protestformen, die einen (Straf-)Rechtsverstoß in Kauf nehmen. Wenngleich die Strafbarkeit bei vielen Aktionen fraglich erscheint, so gehört ihre Begehung grundsätzlich zu den Mitteln der Bewegung.

Weil § 129 StGB als „Vorfelddelikt” Handlungen bestraft, die weit im zeitlichen und räumlichen Vorfeld von Rechtsgutsverletzungen liegen, und die Norm zudem als Katalogtat weitreichende Ermittlungsmaßnahmen und damit einhergehende Grundrechtseingriffe rechtfertigen kann (vgl. § 101a Abs. 2 Nr. 1 lit. d StPO), haben Gesetzgebung und Rechtsprechung zusätzliche Einschränkungen vorgenommen. Einerseits darf die Begehung von Straftaten gegenüber anderen Zwecken der Vereinigung nicht nur eine untergeordnete Rolle spielen (§ 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB). Andererseits ist zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine besondere Schwere der Straftaten erforderlich. Für eine kriminelle Vereinigung nach § 129 StGB genügt also nicht jeder Verstoß gegen eine Strafvorschrift, vielmehr müssen die geplanten oder begangenen Taten “eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten und unter diesem Gesichtspunkt von einigem Gewicht” sein (Gesetzesbegründung, S. 10). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies auf Grundlage einer Gesamtbetrachtung der Vereinigung, deren Vorgehens und Motive sowie der Begleitumstände und Auswirkungen zu bewerten (BGH Urteil v. 4.8.1995 – StB 31/95, Rn. 13).

Gerade diese sprechen aber im Falle der Letzten Generation gegen die Annahme einer kriminellen Vereinigung. Die Proteste sind auf die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der Lebensgrundlagen und des Klimaschutzgebots gerichtet. Sie machen darauf aufmerksam, dass Deutschland weit davon entfernt ist, seine klimapolitischen Ziele und Verpflichtungen zu erfüllen und dass die Zeit zum Handeln beschränkt ist. Dabei nehmen sie die verfassungsrechtlich garantierten Rechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit wahr. Ihr Protest war bislang komplett gewaltfrei, ungeachtet zahlreicher gewalttätiger Übergriffe auf die Aktivist*innen selbst. Eine besondere Gefährlichkeit, die § 129 StGB voraussetzt, ist nicht erkennbar. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hat bereits erklärt, dass sie einen Anfangsverdacht nicht für begründet hält.

Man kann sowohl von den Anliegen als auch von den Protestformen der Letzten Generation halten, was man will, und diese Haltung auch öffentlich äußern. Die Meinungsfreiheit deckt insoweit auch fragwürdige RAF-Vergleiche von Politiker*innen und Rufe nach der “vollen Härte des Gesetzes”. Verfassungsrechtlich geboten ist auch, dass Strafverfolgungsbehörden dort, wo sie eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder strafbares Verhalten wahrnehmen, tätig werden. Überall dort, wo der Protest selbst oder das Verhalten einzelner Teilnehmenden die Grenzen zur Strafbarkeit überschreiten, setzt die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden zu entsprechenden Ermittlungen ein. Bislang haben sich die Aktivist*innen der „Letzten Generation“ den strafrechtlichen Konsequenzen ihres Verhaltens kompromisslos gestellt.

Gerade weil § 129 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt eine erhebliche Vorverlagerung und Ausweitung der Strafbarkeit begründet, sind hohe Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit zu stellen – nicht nur im Rahmen der Annahme eines Tatverdachts, sondern auch bei der Wahl der Ermittlungsmaßnahmen. Das ist keine Frage kriminalpolitischen Fingerspitzengefühls, sondern ein verfassungsrechtliches Gebot – erst recht, wenn sich die Ermittlungen dezidiert gegen politischen Protest richten.

Die Beschlagnahmung von Finanzmitteln, die Sperrung der Homepage und der Diskurs um die Verfolgung von Spender*innen der Gruppe bauen eine Drohkulisse auf. Es ist die Frage erlaubt, ob es hier wirklich (ausschließlich) um die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit geht. Ordnungs- und Strafrecht dürfen wohl unstreitig nicht dafür instrumentalisiert werden, politisch unliebsamen Protest zu delegitimieren und Aktivist*innen einzuschüchtern. Bayern befindet sich gerade im Wahlkampf für die bevorstehende Landtagswahl. Es ist zu hoffen, dass keinerlei Kausalzusammenhang zwischen Wahlkampf und Ermittlungen besteht. Schon der Anschein, dass eine politische Motivation für das Tätigwerden der Behörden vorliegen könnte, schädigt das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz.

Und was für ein Signal sendet eine Politik, die lautstark danach ruft, Klimaaktivist*innen einzusperren, gleichzeitig aber selbst aber ihren völker-, europa- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zu effektivem Klimaschutz nicht ausreichend nachkommt? Der Handlungsbedarf ist groß und die Zeit drängt: Mit den aktuellen politischen Programmen und Maßnahmen steuert die Welt auf eine durchschnittliche globale Erwärmung von rund 2,8°C bis zum Ende des Jahrhunderts zu – mit katastrophalen Folgen.

Gesetzentwurf des Verkehrsministeriums klimapolitisch unverantwortlich

Gemeinsame Stellungnahme von GLI, UfU und DNR

26. April 2023

Gemeinsam mit dem Deutschen Naturschutzring (DNR) und dem Unabhängigen Institut für Umweltfragen (UfU) haben wir eine Stellungnahme zu dem Entwurf des Bundesverkehrsministeriums für ein „Gesetzes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich“ eingereicht.

Der Entwurf enthält viele kritikwürdige Vorschläge. Insbesondere die vorgesehene gesetzliche Verankerung eines „überragenden öffentlichen Interesses“ am Bau von über 140 Fernstraßenvorhaben aus dem Bundesverkehrswegeplan ist klimapolitisch unverantwortlich. Diese zielt primär auf die Stärkung der Durchsetzungsfähigkeit von Straßenbauvorhaben gegenüber Klimabelangen ab, was mit Art. 20a GG schwer vereinbar ist.

Die Aushebelung der UVP-Pflicht für den Ersatzneubau von Brücken Verstößt gegen die UVP-Richtlinie. Die Ausweitung der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht ausreichend begründet und die Verkürzung der Begründungsfristen im Eilverfahren gegen Straßenbauvorhaben erschwert in ungerechtfertigter Weise den Rechtsschutz.

Die gesamte Stellungnahme finden Sie hier.

Die Pressemitteilung des DNR ist hier abrufbar.

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Ansprechperson für Anfragen zu diesem Thema:

Philipp Schönberger

E-Mail: schoenberger[at]greenlegal.eu

Telefon: +49 30 235 97 79-65

LNG-Pläne der Bundesregierung: Neues Gutachten von Green Legal Impact, Client Earth und BUND offenbart erhebliche Zweifel an Verfassungsmäßigkeit

Gemeinsame Pressemitteilung

20. April 2023

Berlin/Brüssel. Ein heute veröffentlichtes Rechtsgutachten von Green Legal Impact (GLI) und ClientEarth in Zusammenarbeit mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigt erhebliche verfassungsrechtliche Probleme des „Gesetzes zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases“ (LNG-Beschleunigungsgesetz – LNGG) vom Mai letzten Jahres auf. In dem Gesetz hatte die Bundesregierung festgestellt, dass rund 12 neue Flüssiggas-Terminals notwendig seien, um die Energieversorgung in Deutschland sicher zu stellen.  Behörden und Gerichte werden durch das Gesetz dazu gedrängt, die LNG-Projekte möglichst problemlos durchzuwinken. Unabhängige wissenschaftliche Studien zeigen aber, dass die LNG-Pläne der Bundesregierung den tatsächlichen Energiebedarf weit übersteigen und die Klimakrise weiter befeuern. Im ​​Rechtsgutachten der drei Umweltorganisationen wird geprüft, ob die Regelungen des LNGG mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Marie Bohlmann, Rechtsexpertin von Green Legal Impact (GLI) kommentiert: „Im LNG-Gesetz hatte der Klimaschutz bei der Abwägung mit der Versorgungssicherheit deutlich das Nachsehen. Nicht nur ist der zugrunde gelegte Bedarf unvollständig bzw. unzutreffend ermittelt worden, die verfassungsrechtlich gebotene umfassende und nachvollziehbare Abwägung mit Klimaschutzbelangen wurde ebenfalls nicht vorgenommen. Es ist zu befürchten, dass der Klimaschutz bei Entscheidungen von Behörden und Gerichten gerade aufgrund des LNGG zu kurz kommt und dadurch Überkapazitäten aufgebaut werden. Damit würde Deutschland jedoch gegen seine verfassungsmäßige Pflicht verstoßen, Freiheitsrechte in der Zukunft zu wahren – wie im Klimabeschluss des Verfassungsgerichts von 2021 gefordert.“

Paula Ciré, Umweltjuristin bei ClientEarth ergänzt: „Mit dem LNGG verstößt der deutsche Gesetzgeber gegen seine verfassungsrechtlichen Pflichten, die Klimakrise zum Schutz von Leben und Gesundheit effektiv zu bekämpfen. Das LNGG stellt nicht sicher, dass die erheblichen Klimaeffekte von LNG bei Behördenentscheidungen über Umfang und Dauer der Terminal-Zulassungen eine maßgebliche Rolle spielen. Auch konterkariert der deutsche Staat mit dem LNGG seine internationalen Klimaschutzbestrebungen. Für andere Staaten wird ein Anreiz gesetzt, fossile Gasgewinnung weiterzuführen oder sogar auszuweiten. Das ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Olaf Bandt vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) fügt hinzu: „Das LNG-Beschleunigungsgesetz muss jetzt einem Klimastresstest unterzogen und umfassend novelliert werden. Die Belange des Klimaschutzes müssen gestärkt werden und sollten in der Genehmigungspraxis der Behörden das nötige Gewicht erhalten. Eine alleinige Fokussierung auf die Versorgungssicherheit mit dem Ergebnis großer Überkapazitäten ist nicht mehr vertretbar. Die Liste der geplanten LNG-Terminals muss gekürzt werden, anstatt über die Aufnahme weiterer Vorhaben zu diskutieren.“

 

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Hintergrund:
Im „​​Rechtsgutachten zum LNG-Beschleunigungsgesetz​“ der drei Umweltorganisationen wird geprüft, ob die Regelungen des LNGG mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Autorinnen gehen davon aus, dass die Bedarfsfeststellung in § 3 S. 2 in Verbindung mit weiteren Regelungen des LNGG künftige grundrechtlich geschützte Freiheitsrechte gefährden, indem sie das CO2-Restbudget irreversibel zu verkleinern drohen.

Gute Argumente sehen die Umweltrechtsexpert*innen zudem dafür, dass der Gesetzgeber durch das LNGG seine grundrechtlichen Schutzpflichten verletzt hat, da die darin enthaltenen Regelungen im Widerspruch zur verfassungsrechtlichen Pflicht stehen, nicht erforderliche Emissionen zu unterbinden. Insgesamt kommt die Untersuchung zum Ergebnis, dass insbesondere wegen der unzureichenden Berücksichtigung des Klimaschutzes bei der Realisierung künftiger LNG-Projekte erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der gesetzlichen Regelungen des LNGG mit dem Grundgesetz bestehen. Die Behörden müssen – entgegen der Wertungen des Gesetzgebers – bei der Zulassung der Terminals den Klimaschutz hinreichend berücksichtigen.

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Marie Bohlmann

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Ohne Ziele kein Klimaschutz: Gemeinsames Briefing von Green Legal Impact und ClientEarth zur Weiterentwicklung des Klimaschutzgesetzes

In der Ampelkoalition wird aktuell über eine Reform des Klimaschutzgesetzes diskutiert. Dabei drängt die FDP auf die Streichung der Sektorziele. Das Briefing von Client Earth und GLI kommt zu dem Ergebnis, dass eine ersatzlose Streichung verfassungsrechtlich nicht ohne weiteres möglich wäre. Stattdessen sollte die Berücksichtigungspflicht aus § 13 Klimaschutzgesetz weiterentwickelt werden.

13 März 2023

Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) dient der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates zu effektivem Klimaschutz. Als Rahmengesetz setzt es die zu erreichenden nationalen Reduktionsziele fest und definiert für die jeweiligen Sektoren die jährlich zulässigen Emissionsmengen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht dürfen diese sektoralen Ziele nicht ersatzlos wegfallen, wie es derzeit vereinzelt gefordert wird.

„Konkrete, quantifizierte, jahres- und sektorspezifische Ziele sind eine notwendige Voraussetzung für ambitionierten und effektiven Klimaschutz“, sagt Dr. Christiane Gerstetter, Juristin bei ClientEarth und Co-Autorin der Studie. „Ohne solche Zielvorgaben fehlt den Behörden bei ihren Entscheidungen ein klimabezogener Maßstab. Das gilt ebenso für eine mögliche gerichtliche Überprüfung solcher Entscheidungen.“

„Regierung und Behörden scheitern in Deutschland derzeit an der Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflicht, beim Klimaschutz zu liefern“, fügt Philipp Schönberger, Referent bei GLI und Mitverfasser der Untersuchung, hinzu. „Die selbstgesteckten Ziele und die tatsächlichen Emissionen driften zunehmend auseinander; das Erreichen der Zielmarken für 2030 liegt derzeit weit außer Reichweite. Das besondere verfassungsrechtliche Gewicht des Klimaschutzes muss sich endlich auch in der Planungs- und Genehmigungspraxis widerspiegeln. Dafür brauchen die Behörden konkrete Leitlinien, Standards, Anwendungsdirektiven und Verwaltungsvorschriften.“

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Klima-Beschluss in 2021 klargestellt, dass sich aus Artikel 20a und den Grundrechten des Grundgesetzes eine klare Verpflichtung des Staates zu effektivem Klimaschutz und der intertemporalen Sicherung von Freiheitsrechten ergibt.

Mit dem Berücksichtigungsgebot aus § 13 KSG sieht das Klimaschutzgesetz bereits ein potentiell wirksames Instrument vor, um die Einhaltung der Ziele durch die Exekutive sicherzustellen. Für die Umsetzung in die Praxis bedarf es jedoch dringend einer weiteren Konkretisierung und Schärfung der Vorschrift. Überall dort, wo Treibhausgasemissionen unter staatlicher Kontrolle verursacht werden, ist eine Abstimmung mit den Klimazielen erforderlich.

Ein Schritt in die falsche Richtung: Effektiver Rechtsschutz soll für vermeintliche Planungsbeschleunigung geopfert werden

Kabinett beschließt Gesetzesnovelle, die Eilrechtsschutz trotz fehlerhafter Planung aussichtslos werden lässt.

30. November 2022

Am heutigen Mittwoch hat die Bundesregierung den „Gesetzesentwurf zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich“ beschlossen. Die Novelle aus dem Bundesjustizministerium soll den verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz massiv einschränken und stellt nach Überzeugung der Umweltorganisationen NABU, DUH, Green Legal Impact und des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR) einen klaren Schritt in die falsche Richtung dar. Die Verwaltungsgerichte könnten zukünftig einen Fehler der Genehmigungs- oder Planungsentscheidung außer Acht lassen, „wenn offensichtlich ist, dass dieser in absehbarer Zeit behoben sein wird.“ Diese Formulierung der Gesetzesnovelle ist denkbar unbestimmt und ermöglicht Richter*innen sehenden Auges, rechtswidriges behördliches Handeln zu dulden. Aus Sicht der Umweltverbände verstößt diese Regelung gegen verfassungs-, europa- und völkerrechtlich gebotene Prinzipien. Hinzukommt, dass nahezu alle Fehler heilbar sind, sodass kaum mehr ein Fehler dazu führen würde, dass Vorhaben vorläufig gestoppt werden. Eine erhebliche Beschleunigung ist dadurch jedoch nicht zu erwarten, denn die Gerichtsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht werden schon jetzt äußerst zügig durchgeführt.

„Aus unserer Sicht ist es ganz besonders alarmierend, dass die Erleichterungen auf eine Vielzahl von unterschiedlichen, großen Infrastrukturvorhaben anwendbar sein sollen, ohne dass es auf ihren Umwelt- und Klimanutzen ankommt. Denn die Änderungen sollen auch vielen klimaschädlichen Vorhaben wie Kraftwerke, Gasversorgungsleitungen, Abfallanlagen, Flughäfen, Bundesfernstraßen, Gewässerausbauten und LNG-Anlagen zugutekommen. Genau diese sollten jedoch nicht schneller umgesetzt werden, sondern gehören dringend auf den Prüfstand“, so DNR-Geschäftsführer Florian Schöne.

“Planungsbeschleunigung darf nicht dadurch erreicht werden, dass festgestellte Planungsfehler irrelevant und Eingriffe in die Natur auf die vage Hoffnung einer Fehlerheilung hin zugelassen werden. Hilfreich wären vielmehr eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit, klare und naturschutzfachlich begründete Leitlinien für die Prüfung umweltrechtlicher Sachverhalte und ausreichend Personal in Behörden und Gerichten. Eine Beschneidung des Rechtsschutzes der betroffenen Öffentlichkeit und der Umweltverbände ist nicht der richtige Weg und führt zu Akzeptanzverlusten“, sagte NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.

„Die geplante Regelung, dass die Gerichte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nahezu alle Fehler behördlicher Entscheidungen außer Acht lassen können, riskiert zudem, rechtsstaatliche Prinzipien ohne Not über Bord zu werfen. In der gerichtlichen Praxis wird auf diese Weise nämlich die genaue Prüfung im Einzelfall verhindert, so dass die Behörden ihre Entscheidungen vorläufig durchziehen können“, ergänzte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.

Hintergrund: Schon der Gesetzesentwurf aus dem August sorgte für Kritik aus unterschiedlichsten Lagern. So haben neben den Umweltverbänden auch die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltsverein und die Neue Richtervereinigung verschiedene Aspekte des Entwurfs bemängelt. Auch Richter*innen des Bundesverwaltungsgerichtes, die tagtäglich an entsprechenden Verfahren arbeiten, haben sich kritisch geäußert. Kurioserweise findet sich genau diese Expert*innenmeinung jedoch nicht unter den übrigen, auf der Internetseite des Bundesjustizministeriums veröffentlichten Stellungnahmen. Ein beim Ministerium gestellter Antrag auf Herausgabe der Stellungnahme wurde abgelehnt. Man beruft sich darauf, dass ein Anspruch auf Informationszugang nicht bestehe, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Dass dies nur für die Einschätzung der Richter*innen am Bundesverwaltungsgericht und nicht für die übrigen Stellungnahmen gelten soll, verwundert.


Ansprechperson für Anfragen zu diesem Thema:

Marie Bohlmann

E-Mail: bohlmann[at]greenlegal.eu

Telefon: +49 30 235 97 79-63