Mit Urteil vom 8. November 2022 entschied der EuGH, dass anerkannte Umweltvereinigungen eine EG-Typengenehmigung für Fahrzeuge, die mit möglicherweise verbotenen „Abschalteinrichtungen“ ausgestattet sind, vor Gericht anfechten können. Damit schloss sich der EuGH der Empfehlung des Generalanwalts an und stärkt durch das Urteil die Verbandsklagerechte.

Dem Urteil ging eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht gegen die Bundesrepublik Deutschland voraus. Darin klagte die DUH gegen eine Genehmigung des Kraftfahrtbundesamts (KBA). Nachdem das KBA zunächst davon ausgegangen war, dass es sich bei der durch Volkswagen verwendeten Software um eine unionsrechtswidrige „Abschalteinrichtung“ handelte, nahm Volkswagen ein Update der Software vor. Daraufhin erteilte das KBA eine Genehmigung für diese erneuerte Software. Laut DUH handelte es sich aber auch bei dem durch die erneuerte Software festgelegten Thermofenster um eine nach Unionsrecht unzulässige Abschalteinrichtung.

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hatte Zweifel an der Klagebefugnis der DUH. Weil es sich bei der angegriffenen Typengenehmigung des Kraftfahrtbundesamt nicht um eine der in § 1 Abs. 1 UmwRG abschließend aufgelisteten Entscheidungen handle, bestünde nach der deutschen Regelung kein Verbandsklagerecht. Das Gericht setzte deshalb das Verfahren aus und legte dem EuGH diese Frage zur Vorabentscheidung vor.

Der EuGH urteilte nun, dass anerkannten Umweltvereinigungen nach Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention i.V.m. Art. 47 der Charta der Grundrechte der EU nicht verwehrt werden darf, eine Verwaltungsentscheidung, mit der eine möglicherweise unionsrechtswidrige EG-Typengenehmigung für Fahrzeuge erteilt oder geändert wird, vor einem innerstaatlichen Gericht anzufechten. Damit stärkt der EuGH das Verbandsklagerecht der Umweltverbände erneut und stellt klar, dass diese auch behördliche Produktzulassungsentscheidungen gerichtlich überprüfen lassen können. Damit steht auch die Vereinbarkeit von Art. 1 Abs. 1 UmwRG mit höherrangigem Unions- und Völkerrecht in Frage. Ist, wie im vorliegenden Fall, eine bestimmte Art umweltrelevanter Entscheidungen nicht von der nationalen Regelung erfasst, kann sich eine Klagebefugnis unmittelbar aus der Aarhus-Konvention und der EU-Grundrechte Charta ergeben.

Außerdem erinnerte der EuGH an seine bereits ergangene Rechtsprechung, wonach derartige Thermofenster grundsätzlich unzulässige Abschalteinrichtungen darstellen. Als solche sind sie nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn nachgewiesen ist, dass ihr Einsatz eine konkrete Gefahr beim Betrieb des Fahrzeugs abwenden soll und zu diesem Zweck keine anderen technischen Lösungen zur Verfügung stehen. Aber auch in einem solchen Ausnahmefall bleibt eine Abschalteinrichtung unzulässig, wenn sie – dem Ausnahmecharakter zuwiderlaufend – tatsächlich während des überwiegenden Teils des Jahres unter normalen Fahrbedingungen zum Einsatz kommen sollte.