Die Generalstaatsanwaltschaft München hat in mehreren Bundesländern Durchsuchungen und Beschlagnahmungen gegen Angehörige der „Letzten Generation“ veranlasst. Sie ermittelt wegen des Verdachts der Bildung oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.

Die Strafbarkeit der Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung regelt § 129 StGB. Voraussetzung ist zunächst, dass der Zweck der Vereinigung auf die Begehung von Straftaten ausgerichtet ist. Die bevorzugte Protestform der letzten Generation ist das Blockieren von Straßen, einschließlich Autobahnen. Dabei kann der Tatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllt sein, wenngleich die Frage der Verwerflichkeit bislang von Behörden und Gerichten unterschiedlich behandelt und Aktivist*innen auch vereinzelt freigesprochen wurden. Hinzu kommen einzelne Aktionen, die sich gegen Kunstwerke, Gebäude (z.B. die SPD-Parteizentrale) oder Monumente richten und Sachbeschädigungen (§ 303 StGB) darstellen können. Sofern sich vereinzelt Proteste gegen Öl-Raffinerien und Pipelines richteten, steht zudem der Vorwurf der Störung öffentlicher Betriebe (§ 316b Abs. 1 Nr. 2 StGB) im Raum. Die Letzte Generation wählt bewusst Protestformen, die einen (Straf-)Rechtsverstoß in Kauf nehmen. Wenngleich die Strafbarkeit bei vielen Aktionen fraglich erscheint, so gehört ihre Begehung grundsätzlich zu den Mitteln der Bewegung.

Weil § 129 StGB als „Vorfelddelikt” Handlungen bestraft, die weit im zeitlichen und räumlichen Vorfeld von Rechtsgutsverletzungen liegen, und die Norm zudem als Katalogtat weitreichende Ermittlungsmaßnahmen und damit einhergehende Grundrechtseingriffe rechtfertigen kann (vgl. § 101a Abs. 2 Nr. 1 lit. d StPO), haben Gesetzgebung und Rechtsprechung zusätzliche Einschränkungen vorgenommen. Einerseits darf die Begehung von Straftaten gegenüber anderen Zwecken der Vereinigung nicht nur eine untergeordnete Rolle spielen (§ 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB). Andererseits ist zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine besondere Schwere der Straftaten erforderlich. Für eine kriminelle Vereinigung nach § 129 StGB genügt also nicht jeder Verstoß gegen eine Strafvorschrift, vielmehr müssen die geplanten oder begangenen Taten “eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten und unter diesem Gesichtspunkt von einigem Gewicht” sein (Gesetzesbegründung, S. 10). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dies auf Grundlage einer Gesamtbetrachtung der Vereinigung, deren Vorgehens und Motive sowie der Begleitumstände und Auswirkungen zu bewerten (BGH Urteil v. 4.8.1995 – StB 31/95, Rn. 13).

Gerade diese sprechen aber im Falle der Letzten Generation gegen die Annahme einer kriminellen Vereinigung. Die Proteste sind auf die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der Lebensgrundlagen und des Klimaschutzgebots gerichtet. Sie machen darauf aufmerksam, dass Deutschland weit davon entfernt ist, seine klimapolitischen Ziele und Verpflichtungen zu erfüllen und dass die Zeit zum Handeln beschränkt ist. Dabei nehmen sie die verfassungsrechtlich garantierten Rechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit wahr. Ihr Protest war bislang komplett gewaltfrei, ungeachtet zahlreicher gewalttätiger Übergriffe auf die Aktivist*innen selbst. Eine besondere Gefährlichkeit, die § 129 StGB voraussetzt, ist nicht erkennbar. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hat bereits erklärt, dass sie einen Anfangsverdacht nicht für begründet hält.

Man kann sowohl von den Anliegen als auch von den Protestformen der Letzten Generation halten, was man will, und diese Haltung auch öffentlich äußern. Die Meinungsfreiheit deckt insoweit auch fragwürdige RAF-Vergleiche von Politiker*innen und Rufe nach der “vollen Härte des Gesetzes”. Verfassungsrechtlich geboten ist auch, dass Strafverfolgungsbehörden dort, wo sie eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder strafbares Verhalten wahrnehmen, tätig werden. Überall dort, wo der Protest selbst oder das Verhalten einzelner Teilnehmenden die Grenzen zur Strafbarkeit überschreiten, setzt die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden zu entsprechenden Ermittlungen ein. Bislang haben sich die Aktivist*innen der „Letzten Generation“ den strafrechtlichen Konsequenzen ihres Verhaltens kompromisslos gestellt.

Gerade weil § 129 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt eine erhebliche Vorverlagerung und Ausweitung der Strafbarkeit begründet, sind hohe Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit zu stellen – nicht nur im Rahmen der Annahme eines Tatverdachts, sondern auch bei der Wahl der Ermittlungsmaßnahmen. Das ist keine Frage kriminalpolitischen Fingerspitzengefühls, sondern ein verfassungsrechtliches Gebot – erst recht, wenn sich die Ermittlungen dezidiert gegen politischen Protest richten.

Die Beschlagnahmung von Finanzmitteln, die Sperrung der Homepage und der Diskurs um die Verfolgung von Spender*innen der Gruppe bauen eine Drohkulisse auf. Es ist die Frage erlaubt, ob es hier wirklich (ausschließlich) um die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit geht. Ordnungs- und Strafrecht dürfen wohl unstreitig nicht dafür instrumentalisiert werden, politisch unliebsamen Protest zu delegitimieren und Aktivist*innen einzuschüchtern. Bayern befindet sich gerade im Wahlkampf für die bevorstehende Landtagswahl. Es ist zu hoffen, dass keinerlei Kausalzusammenhang zwischen Wahlkampf und Ermittlungen besteht. Schon der Anschein, dass eine politische Motivation für das Tätigwerden der Behörden vorliegen könnte, schädigt das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz.

Und was für ein Signal sendet eine Politik, die lautstark danach ruft, Klimaaktivist*innen einzusperren, gleichzeitig aber selbst aber ihren völker-, europa- und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen zu effektivem Klimaschutz nicht ausreichend nachkommt? Der Handlungsbedarf ist groß und die Zeit drängt: Mit den aktuellen politischen Programmen und Maßnahmen steuert die Welt auf eine durchschnittliche globale Erwärmung von rund 2,8°C bis zum Ende des Jahrhunderts zu – mit katastrophalen Folgen.