FAQ zur Bundesverkehrswegeplanung

Die Planung und der Bau von Bundesfernstraßen (Autobahnen und Bundesstraßen) erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren. Verschiedene staatliche Stellen sind auf Bundes- und Landesebene sowohl in der Planung als auch der späteren Umsetzung beteiligt. Teilweise werden solche Planungsverfahren auch als „Planungskaskaden“ bezeichnet, bei der auf oberster Ebene die grundlegenden Entscheidungen über die Zielsetzung und Art der geplanten Infrastruktur getroffen und damit der Rahmen für die Realisierung abgesteckt wird. Auf den nachfolgenden Stufen wird dann die Umsetzung schrittweise konkretisiert, bis hin zum Bau der einzelnen Vorhaben. Aufgrund der vielen Planungsstufen ist es für Betroffene eines Bauvorhabens oft nur schwer nachvollziehbar, wann wo von wem welche Entscheidung eigentlich getroffen wurden und wie möglicherweise dagegen vorgegangen werden kann. Dies trifft insbesondere auch auf die Planung und den Bau von Bundesfernstraßen zu.

Deshalb haben wir auf dieser Seite die häufigsten Fragen von Verbänden, Initiativen und Aktivist*innen rund um die Bundesverkehrswegeplanung und den Fernstraßenbau, insbesondere auch zu Rechtsschutzmöglichkeiten, gesammelt und beantwortet.

Zusammenfassung

Der Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP 2030) ist das zentrale Planungsinstrument für Verkehrsinfrastruktur in Deutschland. Im BVWP 2030 ist festgelegt, welche Infrastrukturprojekte im Zeitraum bis 2030 gebaut werden sollen. Er wurde 2016 von der Bundesregierung erstellt und enthält insgesamt 66 Schienen-, 22 Wasserstraßen- und 1.300 Fernstraßenprojekte. Der BVWP 2030 entfaltet keine unmittelbare rechtliche Wirkung, sondern stellt eine bloße informelle Absichtserklärung der Bundesregierung dar. Er bildet allerdings die Grundlage für die sog. Bedarfspläne, in denen der Bundestag durch Gesetz verbindlich den „Bedarf“ für einen Verkehrsweg (also ob ein bestimmtes Projekt gebaut werden soll) festlegt. Dabei übernimmt der Bundestag die Vorhaben-Liste aus dem BVWP in der Regel ohne nennenswerte Änderungen und damit letztlich auch die zugrundeliegenden Berechnungen und Bewertungen des Verkehrsministeriums.

Für die Bundesfernstraßen ist der Bedarfsplan in der Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz enthalten und sieht bis 2030 unter anderem den Neubau von 850km Autobahn vor. Ist für ein Straßenbauprojekt der Bedarf einmal im Bedarfsplan festgestellt, sind die Planungsbehörden und Gerichte grundsätzlich an diese Entscheidung über das „ob“ eines Vorhabens gebunden. Es wird dann auf Planungs- und Umsetzungsebene nicht mehr hinterfragt, ob der Aus- oder Neubau einer Straße überhaupt erforderlich ist, sondern lediglich das „wie“ der Umsetzung bestimmt. Alle fünf Jahre lässt das Bundesverkehrsministerium die Bedarfspläne daraufhin überprüfen, ob eine grundlegende Veränderung der Umstände eine Anpassung erforderlich macht.

Die Finanzierung der Projekte des BVWP kommt zu 100% aus dem Bundeshaushalt. Das Verkehrsministerium erstellt hierfür fünfjährige Investitionsrahmenpläne, auf deren Grundlage dann jedes Jahr die Finanzmittel im Bundeshaushalt bereitgestellt werden

BMVI – Grundkonzeption für den Bundesverkehrswegeplan 2015, S. 9.

Der BVWP 2030 und die Bedarfspläne wurden 2016 und damit noch vor Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes 2019 und vor dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts 2021 erstellt. Er ist folglich nicht an deren Vorgaben ausgerichtet und die Vereinbarkeit mit den Klimaschutzzielen nicht sichergestellt.

Weiterführende Informationen:

Der Bundesverkehrswegeplan 2030

Der Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP 2030) ist das zentrale Planungsinstrument für Verkehrsinfrastruktur auf Bundesebene, durch den die verkehrspolitischen Weichenstellung für den Infrastrukturausbau der nächsten Jahre – und damit auch das Mobilitätsverhalten der nächsten Jahrzehnte erfolgt. In dem Plan trifft die Bundesregierung eine grundsätzliche Entscheidung über Erhaltungsmaßnahmen sowie die Bauwürdigkeit von Neu- und Ausbauprojekten von Bundesfernstraßen (= Bundesstraßen und Autobahnen), Schienen und Wasserstraßen. Im BVWP legt die Bundesregierung ihre Investitionsstrategie für den Verkehrssektor fest. Gleichwohl sind weder das Verfahren zu seiner Erstellung noch die Auswahlkriterien gesetzlich geregelt, sondern werden vom Verkehrsministerium bestimmt.

Zuständig für die Erstellung und Fortschreibung des Plans ist das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV, früher BMVI). Der aktuelle BVWP 2030 wurde vom Verkehrsministerium für einen Zeitraum von 15 Jahren erstellt und am 03.08.20216 vom damaligen Bundeskabinett beschlossen. Er umfasst ein Investitionsvolumen von 270 Mrd. Euro für den Zeitraum von 2016-2030. Davon entfallen ca. 70% auf den Erhalt der bestehenden Infrastruktur. Die Erhaltungskosten sind nicht als Einzelmaßnahmen im Plan aufgeführt, sondern lediglich eine Abschätzung des Gesamtbedarfs. Aus- und Neubauinvestitionen werden hingegen als Einzelprojekte aufgeführt. Der BVWP 2030 enthält 66 Schienen- und 22 Wasserstraßenprojekte und außerdem etwa 1.300 Straßenbauprojekte. Diese bilden den Kern des BVWP.

Beim Bundesverkehrswegeplan handelt es sich um ein Rahmenprogramm und Planungsinstrument ohne Gesetzescharakter. Er bildet die Grundlage für die zweite Planungsstufe in Gestalt der gesetzlichen Bedarfspläne für die Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasser. Durch die Verankerung der Vorhaben aus dem BVWP 2030 in den gesetzlichen Bedarfsplänen ist über das Bestehen des Bedarfs (die Entscheidung über das „ob“) für die spätere Umsetzung auf Projektebene verbindlich entschieden.

Verfahren der Planaufstellung

Das Verfahren zu Planaufstellung ist auf der Website des Verkehrsministerium näher beschrieben.

Der BVWP 2030 setzt sich, wie auch bereits die vorherigen Bundesverkehrswegepläne, im Wesentlichen aus den Ausbau-Wünschen der Bundesländer zusammen. Diese konnten ihre Wünsche beim Verkehrsministerium bis 2013 anmelden. Die einzelnen Wunschvorhaben wurden sodann vom Verkehrsministerium bewertet und nach ihrer Dringlichkeit priorisiert.

Das Verkehrsministerium begann 2009 mit den Vorbereitungen zur Erstellung des Plans. Zunächst wurden in der sog. Grundkonzeption die Leitlinien zur Erstellung des Plans festgelegt, die Methodik zur Bewertung einzelner Projekte bestimmt und eine Verkehrsverflechtungsprognose über die Entwicklung des Verkehrs bis 2030 erstellt. 2014 wurden dann die insgesamt 1864 angemeldeten Projekte auf ihre Wirtschaftlichkeit hin bewertet und priorisiert (s.u.). Zentrales Bewertungskriterium war das Ergebnis einer Nutzen-Kosten-Analyse, bei der die Kosten des Projekts (Baukosten, Umweltkosten usw.) zu dem erwarteten Nutzen des Projekts ins Verhältnis gesetzt wurde.

Erstmals musste auch eine Strategische Umweltprüfung (SUP) durchgeführt und die Öffentlichkeit beteiligt werden.

Kritik: Obwohl der BVWP 2030 die Feststellung des Gesamtinvestitionsbedarfs für Neu- und Ausbauprojekte regelt und damit den Grundstein für die Verkehrsinfrastruktur der nächsten Jahrzehnte legt, beruht diese Bedarfsplanung nicht auf einer selbstständigen Verkehrsnetzkonzeption oder Mobilitätsstrategie des Bundes, sondern im Wesentlichen auf den Bedarfsanmeldungen („Projektideen“) der Bundesländer. Die Planung von Verkehrsinfrastruktur wurde und wird damit nicht als Steuerungsinstrument für ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten erkannt und genutzt. Vielmehr wurde ausgehend von einem prognostizierten Verkehrsaufkommen ein Bedarf für Verkehrswege ermittelt und dieser sodann durch entsprechende Projekte befriedigt. Damit ist ein wichtiges Steuerungsinstrument für die zur Erreichung der Ziele des Klimaschutzgesetzes dringend erforderliche Verkehrswende aus der Hand gegeben.

Der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen (SRU) kritisierte diesen Ansatz der Bundesverkehrswegeplanung als „Wunschzettel-basierte Planung auf der Grundlage vielfältiger Bedarfsanmeldungen“, die aufgegeben werden sollte. Die Planung anhand einer Fortschreibung derzeitiger Verkehrstrends konterkariere den Klimaschutz und sollte zugunsten einer ganzheitlichen Netzplanung als Basis für eine nachhaltiges Verkehrssystem aufgegeben werden.

Der BVWP ist letztlich eine priorisierte Sammlung der Projekt-Wünsche der Länder, Landkreise und Kommunen. Eine zentralisierte Steuerung der zukünftigen Mobilität durch die Festlegung des Bedarfs an Infrastruktur findet nicht statt.

Grundlage sind nach dem „Wunschzettel-Prinzip“ also im Wesentlichen die Bedarfsanmeldungen der Bundesländer. Für Fernstraßenprojekte war der Anmeldeschluss Ende 2013. Insgesamt wurden über 1.864 Straßenbauvorhaben mit einem Gesamtvolumen von 114 Mrd. Euro angemeldet. Außerdem wurden von der DB AG gut 100 Schienenprojekte und durch die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ca. 30 Wasserstraßenprojekte angemeldet. Der Großteil dieser Projekte war bereits in den vorherigen Bundesverkehrswegeplänen enthalten.

Kritik: Neben dem grundlegenden Missstand, dass im BVWP lediglich auf einen prognostizierten Bedarf reagiert und dieser letztlich unhinterfragt befriedigt wird, anstatt die Infrastrukturplanung als Steuerungsinstrument für eine nachhaltige Mobilität zu nutzen (s.o.), stellt sich das „Wunschzettel“-Verfahren auch aus einem anderen Grund als problematisch dar: Die Projekte aus dem BVWP werden komplett aus dem Bundeshaushalt finanziert. Daher besteht für Landes- und Lokalpolitiker:innen eine Profilierungsmöglichkeit darin, im BVWP „ihre“ Vorhaben für „ihren“ Ort unterzubringen und dadurch Gelder aus dem Bundeshaushalt in „ihre“ Region und zu „ihrer“ Bauwirtschaft zu holen [1]. Das Verfahren wurde deshalb von der Opposition auch als „Wahlkreisbeglückung“ kritisiert. Wie weit diese Klientel-Politik reicht, illustrierte zuletzt auch der bayrische Ministerpräsident Söder, der den früheren Verkehrsminister Scheuer öffentlich dafür lobte, so viele Gelder nach Bayern für den Straßenbau nach Bayern gelenkt zu haben [2].

Die komplette Finanzierung des Straßenbaus aus dem Bundeshaushalt schafft zudem Fehlanreize. Weil für Landstraßen das Land, für Bundesfernstraßen hingegen der Bund für die Kosten aufkommt, lohnte sich die Überdimensionierung von Projekten aus Sicht der Landeshaushalte. Außerdem hing der Erfolg der Anmeldung eines Projektes auch wesentlich von den erwarteten Baukosten ab, die zu den erhofften Nutzen ins Verhältnis gesetzt wurden (s.u.). Daher wurden die Baukosten wohl in vielen Fällen bewusst kleingerechnet. Der Bundesrechnungshof kritisierte in seinem Bericht zum BVWP 2030 sehr deutlich, dass das Verkehrsministerium die Plausibilität der angesetzten Baukosten nicht hinreichend überprüft habe, trotz Anzeichen für eine systematische Unterschätzung der Kosten durch die Projektträger [3].

Die von den Ländern zum BVWP angemeldeten Projekte wurden vom Verkehrsministerium bewertet. Das Bewertungsverfahren bestand aus verschiedenen Teilverfahren, die sich mit der Kostenermittlung und mit den Aspekten Umwelt, Raumordnung und Städtebau beschäftigten. Projekte, die nach dem Bewertungsverfahren für bauwürdig erachtet wurden, wurden anschließend in verschiedene Dringlichkeitskategorien eingestuft (Vordringlicher Bedarf-Engpassbeseitigung, Vordringlicher Bedarf, Weiterer Bedarf).

Kern des Bewertungsverfahrens für den BVWP 2030 bildete die Ermittlung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses (NKV), mit der die Wirtschaftlichkeit eines Projektes beziffert werden sollte. Der Kosten-Nutzen-Faktor war das „zentrale Entscheidungskriterium für die Einstufung der Projekte“[4] und hatte „überragenden Einfluss auf die Auswahl“[5] der Projekte für den BVWP.

Zur Ermittlung des NKV wurden alle monetarisierbaren Projektauswirkungen (Nutzen) in Geldeinheiten ausgedrückt und den Investitionskosten gegenübergestellt. Vorhaben wurden dann als gesamtwirtschaftlich sinnvoll eingestuft, wenn sie ein Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) größer eins aufwiesen [6]. Die Berechnungen können im Projektinformationssystem des BMDV (PRINS) eingesehen werden.

Die Methodik zur Berechnung der Nutzen und Kosten eines Projektes ist im Methodenhandbuch beschrieben.

Kritik: Problematisch an der Berechnung des NKV war einerseits die fehlende Plausibilisierung der von den Projektträgern angegebenen Baukosten. Weil den Kosten bei der Berechnung erhebliches Gewicht zukam, bestand der Anreiz, diese systematisch zu unterschätzen, um so den NKV schönzurechnen. Trotz dieses offensichtlichen Fehlanreizes prüfte das Bundesverkehrsministerium die angegeben Baukosten nicht hinreichend auf ihre Plausibilität. Der Bundesrechnungshof kritisierte in seinem Bericht zum BVWP mit deutlichen Worten, dass das Ministerium diese Manipulation „bewusst in Kauf nahm“ und warf ihm bei der Handhabung der Kriterien für die Kosten Willkür vor [7]. Er empfahl deshalb dringend eine Wiederholung der Prüfung, die allerdings nie stattfand.

Daneben erweist sich auch die starke Gewichtung von Fahrtzeitersparnissen bei der Berechnung des NKV als kritikwürdig. Diese wurden mit ca. 15 Euro / Stunde berechnet. Eine Straße, die zu 5 Minuten Fahrzeitersparnis führt, erhält bei einer Auslastung von 18.000 Fahrzeuge / Tag einen jährlichen Nutzen von über 8 Mio. Euro.

Im Ergebnis fiel nur 1% der über 1.600 angemeldeten Projekte bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch, während 99% einen NKV von größer als 1 erreichte [8].

In der abschließenden Bewertung und vor Aufnahme in den BVWP 2030 hat das Verkehrsministerium die Projekte in verschiedene Dringlichkeitsstufen eingeteilt und dadurch priorisiert:

  • Laufende und fest disponierte Vorhaben (FD)
  • Vordringlicher Bedarf (VB)
  • vordringlicher Bedarf mit Engpassbeseitigung (VB-E),
  • Weiterer Bedarf mit Planungsrecht (WB*)
  • Weiterer Bedarf (WB)

Für diese Einstufung wurde das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung, das Kosten-Nutzen-Verhältnis aber auch die raumordnerische/städteplanerische Bedeutung berücksichtigt. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis war also nicht allein ausschlaggebend. Daher finden sich zahlreiche Projekte mit einem niedrigen NKV im Vordringlichen Bedarf, weil das Verkehrsministerium hier entweder eine besondere verkehrsplanerische Bedeutung oder aber die Vermeidung von andernfalls erforderlichen Sanierungskosten berücksichtigte [9]. Die Begründung für Einstufung des jeweiligen Projektes kann im Projektdossier bei PRINS eingesehen werden.

Als „Laufende und fest disponierte Vorhaben“ (FD) wurden alle im Bau befindliche oder für die Netzwirkung unverzichtbare Projekte eingestuft. Sie sollen so schnell wie möglich fertiggestellt werden.

Die Vorhaben im VB und VB-E sollen innerhalb des Geltungszeitraums des BVWP umgesetzt werden. Das bedeutet, für die Projekte besteht ein uneingeschränkter Planungsauftrag: Linienplanung, Raumordnungsverfahren, Linienbestimmung/-festlegung, Entwurfsplanung, Planfeststellung und Bauvorbereitung können somit grundsätzlich eingeleitet bzw. weitergeführt werden.

Für Vorhaben des WB werden hingegen voraussichtlich erst nach 2030 Investitionsmittel zur Verfügung stehen. Vorhaben des Weiteren Bedarfs, die aufgrund ihrer Größe, eines voraussichtlich langen Planungsvorlaufes oder der planerischen Verknüpfung mit vordringlichen Projekten, bereits jetzt schon geplant werden sollten, sind in den „Weiteren Bedarf mit Planungsrecht“ (WB*) eingestuft worden. Auch für sie kann die Projektplanung eingeleitet werden.

Laut den Angaben des Bundesverkehrsministeriums, sollen grundsätzlich die Projekte mit der Dringlichkeitsstufe fest disponiert (FD), vordringlicher Bedarf (VD und VD-E) und weiterer Bedarf mit Planungsrecht (WB*) im Anwendungszeitraum des BVWP bis 2030 realisiert werden. Für die Projekte im weiteren Bedarf (WB) werden voraussichtlich keine Mittel zur Verfügung gestellt. Im Bundesverkehrswegeplan heißt es dazu: „Es ist vorgesehen, die Vorhaben des VB/VB-E im Geltungszeitraum des BVWP bis zum Jahr 2030 umzu[1]setzen bzw. zu beginnen. Für Vorhaben des WB werden hingegen voraussichtlich erst nach 2030 Investitionsmittel zur Verfügung stehen. […] Die Auftragsverwaltungen der Länder können die Pro[1]jektplanung für Maßnahmen des WB* aufnehmen.“ (S.12).

In der Antwort auf eine kleine Anfrage ging das Bundesverkehrsministerium 2020 davon aus, dass bis 2030 noch insgesamt über 900 Straßenbauprojekte realisiert werden sollten.

Für den BVWP 2030 musste erstmals eine Strategische Umweltprüfung (SUP) erstellt werden, in der die wesentlichen Umweltauswirkungen ermittelt, beschrieben und bewertet wurden. Rechtsgrundlage hierfür ist § 14b Abs. 1 UVPG alte Fassung, heute § 33 UVPG. Die Ergebnisse wurden in einem Umweltbericht zum BVWP veröffentlicht. Insgesamt werden durch die Projekte des BVWP 171 Natura-2000-Gebiete „erheblich beeinträchtigt“.[10]

Bei 11 von 12 Umweltkriterien wurde das Ziel verfehlt oder sogar deutlich verfehlt. Zusätzlich wies ein großer Teil der Verkehrsprojekte mit hoher Umweltbetroffenheit auch in der Nutzen-Kosten-Analyse für die Lärm-, Luftschadstoff- und Klimagasemissionen einen negativen Umweltnutzen auf [11].

Kritik: Es spricht für sich, dass nur eines von 12 Umweltkriterien erfüllt wurde. Das Umweltbundesamt bewertete den Umweltbericht und kam zu dem Ergebnis, dass dieser eine beinahe durchweg negative Umweltbilanz auswies. Dies traf sowohl auf die Betrachtung des Gesamtplans, also die Summe aller Projekte zu, als auch auf eine Teilbetrachtung der Projekte im vordringlichen Bedarf. Daher stellt das UBA fest, dass der Entwurf des BVWP 2030 bei der Umweltprüfung „faktisch durchgefallen“ sei [12].

Auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung konstatierte: „Somit ist der BVWP 2030 aus Umweltsicht als absolut unbefriedigend einzustufen.“ [13]

Gegenstand der SUP musste außerdem nach § 19b Abs. 2 UVPG (alte Fassung) die eingehende Prüfung vernünftiger Alternativen, und zwar alternative Verkehrsnetze und Verkehrsträger und damit Konzept- und Systemalternativen sein [14]. Dieser Pflicht zur Alternativprüfung wurde nach Ansicht des UBA [15] und des BUND [16] nicht genügt.

Weiterführende Informationen:

[1] BUND, Desaster im Dutzend: Zwölf Autobahnen, die kein Mensch braucht, 2021, S. 5.

[2] Spiegel, FDP und SPD rechnen mit Verkehrsminister Scheuer ab, 20.09.2021.

[3] [4] Bundesrechnungshof, Bericht, 23.03.2016, S. 8 und 14.

[5] Sachverständigenrat der Bundesregierung zu Umweltfragen, Sondergutachten „Umsteuern erforderlich: Klimaschutz im Verkehrssektor, 23.11.2017, S. 156.

[6] [7] Bundesrechnungshof, Bericht, 23.03.2016, S. 12, 14, 15.

[8] BUND, Desaster im Dutzend: Zwölf Autobahnen, die kein Mensch braucht, 2021, S. 7.

[9] Bundesverkehrswegeplan 2030, S. 12.

[10] BMVI, Umweltbericht zum BVWP, Tabelle 27, S. 134.

[11] [12] UBA, Stellungnahme des UBA zum Entwurf des BVWP 2030 mit Umweltbericht, 29.04.2016, S. 2.

[13] Sachverständigenrat der Bundesregierung zu Umweltfragen, Sondergutachten Klimaschutz im Verkehrssektor, 23.11.2017, S. 154.

[14] Umweltbundesamt (UBA), Das Instrument der Bedarfsplanung – Rechtliche Möglichkeiten für und verfahrensrechtliche Anforderungen an ein Instrument für mehr Umweltschutz, 2017, S. 185.

[15] UBA, Stellungnahme des UBA zum Entwurf des BVWP 2030 mit Umweltbericht, 29.04.2016, S. 1.

[16] BUND, Stellungnahme des BUND Bundesverbandes zum Bundesverkehrswegeplan 2030, 2016, S. 5.

Rechtsnatur und Rechtsschutzmöglichkeiten

Der BVWP 2030 selbst entfaltet keine rechtliche Bindungswirkung. Er ist lediglich eine informale politische Absichtserklärung, die weder justiziabel noch anfechtbar ist [1]. Der BVWP 2030 kann daher auch nicht gerichtlich überprüft werden.

Dennoch kommt dem BVWP 2030 ganz erhebliche faktische Wirkung zu. Denn der BVWP bildet die Grundlage für die sog. Bedarfspläne, mit denen der Bundestag anschließend durch Gesetz den Bedarf für die einzelnen Projekte festlegt. Zwar ist der Bundestag als gesetzgebende Gewalt grundsätzlich frei in seiner Entscheidung und nicht an den Inhalt des BVWP 2030 gebunden. Er ist nicht gezwungen, die Projekte des BVWP 2030 in die Bedarfspläne zu übernehmen, kann grundsätzlich jedes Projekt aus dem BVWP „aussortieren“ und den Bedarfsplan auch später jederzeit wieder ändern oder anpassen. [2] Allerdings bildet der BVWP und die darin enthaltenen Bewertungen der Vorhaben die Basis für die Entscheidung des Bundestages. Eigene Bewertungen und Analysen muss der Bundestag nicht anstellen [3] und tut das in der Praxis auch nicht. Nur wenige der im BVWP 2030 enthaltenen Projekte wurden vom Bundestag aussortiert, im Übrigen wurden die Projekte in die Bedarfspläne übernommen.

Für die Realisierung eines Vorhabens ist nicht die Aufführung im BVWP 2030, sondern die Festschreibung des Bedarfs für das Projekt im Bedarfsplan des Fernstraßenausbaugesetzes ausschlaggebend (näheres unten zum Bedarfsplan Bundesfernstraßen). Zur Streichung eines Projekts aus dem Bedarfsplan bedarf es grundsätzlich einer Gesetzesänderung, die für den Bundestag aber jederzeit möglich wäre.

Weiterführende Informationen:

[1] Umweltbundesamt (UBA), Das Instrument der Bedarfsplanung – Rechtliche Möglichkeiten für und verfahrensrechtliche Anforderungen an ein Instrument für mehr Umweltschutz, 2017, S. 33.

[2] Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Sachstand: Bundesverkehrswegeplanung und Klimaschutz, 2021, WD 8 – 3000 – 088/2, S.4.

[3] BVerwG, Urt. v. 8.06.1995, 4 C 4/94.

Alternativen zum BVWP und Reformvorschläge

Es werden derzeit viele alternative Ansätze für eine nachhaltige Verkehrsinfrastrukturplanung diskutiert und entwickelt. Einigkeit herrscht darüber, dass die Bundesverkehrswegeplanung grundlegend umgestaltet und an umwelt- und klimazielen ausgerichtet werden muss. Wenn der Verkehrssektor die Ziele des Klimaschutzgesetzes (Reduktion um 43 % bis 2030; Klimaneutralität bis 2045) erreichen soll, muss neben einer Antriebswende auch eine Infrastrukturwende eingeleitet werden. Dazu ist eine Abkehr von der nachfrageorientierten Verkehrsplanung und Hinwendung zur integrierten Raum- und Verkehrsplanung erforderlich [1]. Im Koalitionsvertrag wurde dazu vereinbart, „auf Basis neuer Kriterien einen neuen Bundesverkehrswege- und -mobilitätsplan 2040 auf den Weg bringen“ (S. 49).

Die Vorschläge reichen von methodischen Korrekturen bei der Kosten-Nutzen-Analyse, bis hin zu integrierten Bundesmobilitätsplanungen [2].

Das UBA hat im Januar 2022 ein „Gesamtkonzept für eine umweltorientierte und verkehrsträgerübergreifende Infrastrukturfinanzierung in Deutschland“ (GUIDE) vorgestellt.

Gemeinsam mit diversen Expert*innen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und der Mobilitätswirtschaft hat der Verkehrsclub Deutschland VCD einen Gesetzentwurf für ein Bundesmobilitätsgesetz geschrieben.

Weiterführende Informationen:

[1] Becker Büttner Held, Der Bundesverkehrswegeplan: Status Quo, Reformbedarf und Änderungsmöglichkeiten, 04.06.2021, S. 27.

[2] Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Sachstand: Bundesverkehrswegeplanung und Klimaschutz, 2021, WD 8 – 3000 – 088/2, S. 19.

Bedarfsplan Bundesfernstrassen (Anlage zum FStrAbG)

Auf Grundlage des BVWP 2030 hat der Bundestag die sog. „Bedarfspläne“ für die jeweiligen Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße erlassen. Diese Bedarfspläne legen abschließend fest, welche Verkehrsinfrastrukturprojekte in welcher Dringlichkeit geplant und aus dem Bundeshaushalt finanziert werden sollen. Der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen findet sich in der Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz (FStrAbG).

Verfahren

Das FStrAbG wurde in seiner derzeitigen Fassung samt Bedarfsplan in der Anlage am 23.12.2016 vom Bundestag verabschiedet.

Der BVWP 2030 entfaltete keinerlei rechtliche Bindungswirkung für den Bundestag. Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber war im parlamentarischen Willensbildungsprozess nicht gehindert, Änderungen vorzunehmen oder den gesamten BVWP 2030 abzulehnen. Rein formal traf der Bundestag also eine eigene Entscheidung über jedes der im BVWP 2030 enthaltenen Projekte und stellte für diese den Bedarf durch Gesetz fest [1].

Faktisch hatte der BVWP 2030 natürlich erheblich Auswirkungen auf die Entscheidungsprozesse im Bundestag. Letztlich passierte der Bedarfsplan in der Gestalt des BVWP 2030 ohne nennenswerte Änderungen.

Die Aufnahme eines Projektes ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Bau einer Bundesfernstraße. Sie stellt lediglich den Bedarf für die Straße verbindlich fest. Damit besteht auch grundsätzlich ein Planungsauftrag für die zuständigen Behörden.

Angesichts der begrenzten Mittel für Neubauprojekte steht aber bereits fest, dass bis 2030 überhaupt nur die Vorhaben im „vordringlichen Bedarf“ realisiert werden können. Dabei reichen die geplanten Finanzmittel auch nur für ca. ein Drittel der im vordringlichen Bedarf befindlichen Vorhaben. Es wird also nur ein Teil der Projekte aus dem vordringlichen Bedarf gebaut werden. Entscheidend für die Realisierung eines Projekts ist daher die Bereitstellung der Finanzmittel.

Dazu stellt das Verkehrsministerium nach § 5 FStrAbG zunächst fünfjährige Investitionsrahmenpläne auf. Der aktuelle Plan für 2019-2023 enthält 197 Neubauprojekte für Bundesfernstraßen. Die Auswahl der Projekte erfolgt nach dem jeweiligen Planungsstand, wobei bereits begonnene Vorhaben oder solche, bei denen bereits Planungsrecht (dh. Ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss) vorliegt, den Vorzug erhalten. Darüber hinaus sind auch Vorhaben enthalten, die im Zeitraum des Plans voraussichtlich Baureife erlangen können.

Auf dieser Grundlage meldet das BMDV jährlich die Mittel für den Bundeshaushalt beim Finanzministerium an. Die vorgeschlagenen Mittel werden in Form von Straßenbauplänen nach § 5 StrFinG als Anlage zum Entwurf für den Bundeshaushaltsplan angefügt. Das Kabinett beschließt den Bundeshaushalt und leitet diesen dem Bundestag zu.

Der Bundestag beschließt den jährlichen Bundeshaushalt durch Gesetz. Dabei steht es ihm grundsätzlich frei, Posten zu streichen oder zu ändern. Er kann also die Finanzierung einzelner Vorhaben verhindern.

Für die im Bedarfsplan im Vordringlichen Bedarf (VB und VB-E) enthaltenen Projekte besteht ein parlamentarischer Auftrag, die Vorhaben zu planen und umzusetzen. Gleiches gilt für die Vorhaben im weiteren Bedarf mit Planungsrecht (WB*). Die zuständigen Behörden sollen also die erforderlichen Planungsschritte zur Vorbereitung des Baus einleiten. Das sind die Linienplanung, das Raumordnungsverfahren, die Linienbestimmung/-festlegung, eine Entwurfsplanung und schließlich das Planfeststellungsverfahren, welches mit dem Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen wird.

Zwar ist die Planungsbehörde rechtlich nicht unmittelbar durch den Bedarfsplan zur Planung verpflichtet. Da der Bau von Bundesfernstraßen aber im Wege der Bundesauftragsverwaltung erfolgt (und der Bund den Straßenbau bezahlt), hat das Verkehrsministerium hier ein Weisungsrecht gegenüber den Landesbehörden und kann diese zur Planung anweisen (Art. 85 Abs. 2 GG).

Liegt ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss vor (siehe dazu weiter unten), hängt die Umsetzung und damit der Baubeginn maßgeblich von der Bereitstellung der Finanzmittel durch den Bund ab. Das Geld für den Bau der Vorhaben wird jährlichen im Bundeshaushalt, genauer im sog. Straßenbauplan nach § 3 StrFinG im Anhang zum Bundeshaushaltsplan zur Verfügung gestellt. In der Regel ist das Geld bereits bereitgestellt, wenn der Planfeststellungsbeschluss rechtskräftig wird und es kann sofort mit dem Beginn begonnen werden.

Zur Vorbereitung der Mittelbereitstellung stellt das Verkehrsministerium zunächst nach § 5 FStrAbG fünfjährige Investitionsrahmenpläne auf, in dem die geplanten Ausgaben für den Bau von Verkehrswegen niedergelegt ist. Der aktuelle Plan für 2019-2023 enthält 197 Neubauprojekte für Bundesfernstraßen. Die Auswahl der Projekte für den Investitionsrahmenplan erfolgt nach dem jeweiligen Planungsstand, wobei bereits begonnene Vorhaben oder solche, bei denen bereits Planungsrecht (dh. ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss) vorliegt, den Vorzug erhalten. Darüber hinaus sind auch Vorhaben enthalten, die im Zeitraum des Plans voraussichtlich Baureife erlangen können.

Auf dieser Grundlage meldet das BMDV jährlich die Mittel für den Bundeshaushalt beim Finanzministerium an. Die vorgeschlagenen Mittel werden in Form von Straßenbauplänen nach § 5 StrFinG als Anlage zum Entwurf für den Bundeshaushaltsplan angefügt. Das Kabinett beschließt den Haushaltsentwurf und leitet diesen dem Bundestag zu, der den Bundeshaushalt durch ein Gesetz verabschiedet. Dabei steht es dem Bundestag grundsätzlich frei, Posten zu streichen oder zu ändern. Er kann also die Finanzierung einzelner Vorhaben verhindern.

Das Pariser Klimaübereinkommen trat am 04.11.2016 in Kraft. Darin haben sich alle Staaten dazu verpflichtet, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter 2°C, möglichst auf 1.5°C zu begrenzen (sog. Pariser Ziele). Dieses globale Temperaturziel ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch in der deutschen Rechtsordnung das verfassungsrechtlich maßgebliche. An ihm sind die Erfüllung des Klimaschutzgebots aus Art. 20a GG auszurichten [2].

Das Fernstraßenänderungsgesetz samt Bedarfsplan wurde erst 6 Wochen später am 23.12.2016 verabschiedet. Demnach musste die Zielsetzung des Pariser Abkommens grundsätzlich berücksichtigt werden. Allerdings ließ sich zum damaligen Zeitpunkt aus dem globalen Pariser Ziel, ohne die nähere gesetzliche Ausgestaltung im Klimaschutzgesetz, keine konkreten Maßstäbe für nationale Klimaschutzpolitik, schon gar nicht für Infrastrukturplanung ableiten.

Das Klimaschutzgesetz ist hingegen erst am 18.12.2019 in Kraft getreten. Auch der Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts erging erst am 24.03.2021 und wurde demnach bei Erarbeitung und Erlass des Bedarfsplans nicht berücksichtigt.

Auch der Bedarfsplan des FStrAbG für Bundesfernstraßen unterlag der Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung nach §19b UVPG a.F. (heute § 33 i.V.m. Nr. 1.1 der Anlage 5 UVPG).

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts bedurfte es allerdings vor der Einbringung des Bedarfsplans für die Bundesfernstraßen in das Gesetzgebungsverfahren keiner erneuten Strategischen Umweltprüfung, da es sich insofern um die Anpassung des Bedarfsplans an den unmittelbar zuvor auf der Grundlage einer Strategischen Umweltprüfung beschlossenen Bundesverkehrswegeplan handelte. Angesichts des engen zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhangs zwischen BVWP 2030 und dem Bedarfsplan seine keine zusätzlichen Umweltauswirkungen ersichtlich gewesen, die eine erneute SUP erforderlich gemacht hätten [1].

Weil die Bedarfsplanung im FStrAbG durch Gesetz erfolgt, kann die Streichung eines Projektes aus dem Bedarfsplan nur im Wege einer Gesetzesänderung durch den Bundestag erreicht werden. Grundsätzlich kann der Bundestag das jederzeit tun und durch Gesetz die Aufhebung des Bedarfsplans, die Streichung einzelner Projekte oder eine Neu-Priorisierung vornehmen.

Darüber hinaus ist gem. § 4 FStrAbG turnusmäßig alle fünf Jahre eine Überprüfung des Bedarfsplans durch das Verkehrsministeriums vorgesehen, in der eine Anpassung der Bedarfspläne überprüft wird (Näheres dazu unten zur Bedarfsplanüberprüfung). Das Verkehrsministerium gibt daraufhin eine Empfehlung zur (Nicht-)Anpassung des FStrAbG ab. Letztlich obliegt es aber auch hier dem Bundestag, entsprechende Gesetzesänderungen vorzunehmen.

Andere Verfahren, mit denen die Streichung eines Projekts aus dem Bedarfsplan erreicht werden könnte, existieren nicht (zum Rechtsschutz siehe unten). Trotzdem kann jede Form von Protest hilfreich sein, um die Umsetzung eines Projektes zu verhindern. Zwar können BVWP-Projekte auch gegen den Willen der betroffenen Kommunen, Landkreise und sogar Landesregierung (siehe A 100) umgesetzt werden. Dennoch erhöhen sich die politischen Kosten ggf. signifikant, wenn sich mehrere betroffene Gemeinden, Landräte usw. gegen ein Projekt aussprechen. Da die verfügbaren Haushaltsmittel ohnehin nur für einen Bruchteil der BVWP-Projekte reichen, werden diese dann womöglich anderweitig eingesetzt.

Weiterführende Informationen:

[1] Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Sachstand: Bundesverkehrswegeplanung und Klimaschutz, 2021, WD 8 – 3000 – 088/2, S. 4.

[2] BVerfG, Beschluss v. 24.03.2021, 1 BvR 2656/18, Rn. 197.

[3] BVerwG, Urteil vom 11.7.2019, 9 A 13/18, Rn. 65; zum Ganzen siehe Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Sachstand: Bundesverkehrswegeplanung und Klimaschutz, 2021, S. 16 f.

Rechtsnatur und Rechtsschutzmöglichkeiten

Der Bedarfsplan ist in der Anlage zum Fernstraßenausbaugesetz (FStrAbG) enthalten und teilt damit dessen rechtliche Qualität als Bundesgesetz. Während in anderen Bereichen der Bauleit- und Fachplanung die jeweils planende Behörde den Bedarf für ein Vorhaben („brauchen wir das überhaupt“) festlegt, hat der Bundestag im Bedarfsplan diese Entscheidung durch Gesetz getroffen.

Dieses Vorgehen wird auch als „gesetzliche Bedarfsplanung“ beschrieben. Ihr Zweck besteht darin, die grundlegende Entscheidung über das „ob“ eines Projektes von der konkreten Planungsebene auf die Ebene der Gesetzgebung zu heben. Die Wahl der Gesetzesform schafft zwar Planungssicherheit, führt aber auch zu einer erheblichen Einschränkung des Rechtsschutzes [1]. Eine gerichtliche Überprüfung des Gesetzes kann nur durch das Bundesverfassungsgericht im Wege der Verfassungsbeschwerde (Art. 93a GG) oder einer konkreten Normenkontrolle (Art. 100 GG). Das bedeutet, dass sowohl die planenden Behörden als auch die Verwaltungsgerichte an die Entscheidung gebunden sind.

Für ein tiefergehendes Verständnis des Instruments der Bedarfsplanung wird auf die Veröffentlichung des UBA zu diesem Thema verwiesen.

Mit der Eintragung eines Straßenbauprojekts im Bedarfsplan des FStrAbG stellt der Gesetzgeber den Bedarf für die Realisierung des Projektes abschließend fest. Die Entscheidung über das „ob“ eines Straßenbaus ist damit für die jeweiligen Planungsbehörden und auch für die Gerichte verbindlich festgelegt [1]. Diese Bindungswirkung ist etwas verklausuliert in § 1 Abs. 2 S. 2 FStrAbG festgeschrieben: Die Feststellung des Bedarfs ist für die Linienbestimmung nach § 16 und für die Planfeststellung nach § 17 des Bundesfernstraßengesetzes verbindlich.“

(siehe dazu auch unten zu den Auswirkungen auf Projektebene)

Zu den Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den BVWP und die Bedarfspläne verweisen wir zunächst auf unsere Stellungnahme „Klagemöglichkeiten gegen den bestehenden BVWP 2030“. [LINK]

Gegen den Bedarfsplan als förmliches Bundesgesetz stehen im Wesentlichen nur die Verfassungsbeschwerde (Art. 93a GG) und die konkrete Normenkontrolle (Art. 100 GG) zur Verfügung [1].

Mit einer Verfassungsbeschwerde könnte grundsätzlich geltend gemacht werden, der Bedarfsplan verstoße gegen das Grundgesetz, insbesondere Art. 20a GG und die Pflicht zur Wahrung der intertemporalen Freiheitsrecht [2]. Allerdings wäre eine solche Verfassungsbeschwerde nach § 93 Abs. 3 BVerfGG innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten des FStrAbG am 23.12.2016 einzulegen gewesen. Diese Frist ist abgelaufen.

Gegen künftige Änderungen des FStrAbG wäre eine Verfassungsbeschwerde hingegen denkbar. Allerdings stellt dann die Klagebefugnis eine schwer überwindbare Zulässigkeitshürde dar. § 90 BVerfG setzt voraus, dass eine Person durch den angegriffenen Hoheitsakt (hier der Bedarfsplan) in eigenen Grundrechten verletzt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat eine solche individuelle Betroffenheit durch die Bedarfsplanung für Fernstraßen bereits in der Vergangenheit abgelehnt: Die Bundesverkehrswegeplanung sei „[…] eine verkehrspolitische Leitentscheidung auf einer der individuellen Betroffenheit weit vorgelagerten Ebene. Bei derart übergreifenden, von vielen politischen und wirtschaftlichen Faktoren bestimmten und auf lange Frist ausgerichteten Entscheidungen mit notwendig hohem prognostischem Gehalt stößt die gerichtliche Kontrolle unabhängig von der Rechtsform der Entscheidung an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung.“[3]

Näher zu prüfen wäre, ob diese Auffassung unter Berücksichtigung des Klima-Beschlusses des BVerfG und den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes noch Geltung beansprucht. Das BVerfG hat klargestellt, dass Klimaschutz „ins Blaue hinein“ nicht mit Art. 20a GG vereinbar und eine einseitige Verlagerung der Reduktionslasten in die Zukunft verfassungswidrig ist [4]. Wird aber im Bedarfsplan der Bau von hunderten von Fernstraßen beschlossen, ohne deren Auswirkungen auf die Klimaziele zu berücksichtigen und zudem CO2-intensives Mobilitätsverhalten auf Jahrzehnte hin gefördert, dann könnte dies die Freiheitsrechte in ihrer intertemporalen Dimension verletzen und eine Klagebefugnis begründen.

Eine konkrete Normenkontrolle könnte dagegen im Rahmen einer Klage gegen einen konkreten Planfeststellungsbeschluss angestrengt werden. In einem solchen Verfahren können die Verwaltungsgerichte inzident die Verfassungsmäßigkeit des Bedarfsplans beleuchten. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, die Vorschrift sei verfassungswidrig, dann muss es die Frage dem BVerfG vorlegen (Art. 100 GG).  Allerdings beschränkt sich die anzustellende Prüfung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf eine Evidenzkontrolle, dh. es wird lediglich geprüft, ob die Bedarfsentscheidung evident unsachlich ist, weil das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd erreicht werden kann [5]. Eine solche Unsachlichkeit wollte das Bundesverwaltungsgericht bislang nicht erkennen [6].

Verbandsklagerechte gegen den Bedarfsplan selbst bestehen indes (anders als auf Projektebene gegen einen Planfeststellungsbeschluss) keine, weil es sich beim Bedarfsplan um einen Plan i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 UmwRG handelt, der durch formelles Gesetz angenommen wurde. Dies dürfte auch mit europarechtlichen Vorgaben und der Aarhus Konvention vereinbar sein [7].

[1] Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Sachstand: Bundesverkehrswegeplanung und Klimaschutz, 2021, WD 8 – 3000 – 088/2, S. 5.

[2] Siehe auch Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Sachstand: Bundesverkehrswegeplanung und Klimaschutz, 2021, WD 8 – 3000 – 088/2, S. 5.

[3] Siehe dazu näher Franziska Heß, Rechtsgutachten zur formellen (Unions-)Rechtswidrigkeit und materiellen Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Bedarfsplans, S. 16.

[4] BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1998, 1 BvR 650/97, Rn. 11.

[5] BVerfG, Beschl. v. 24. März 2021, 1 BvR 2656/18, Rn. 192, 218.

[6] So z.B. BVerwG, NVwZ 2016, 1710 Rn. 54.

[7] BVerwG, Urt. v. 4. Mai 2022, 9 A 7.21, Pressemitteilung 29/2022; Urt. v. 7. Juli 2022, 9 A 1.21, Pressemitteilung 45/2022.

[8] Schlacke NVwZ 2017, 905, 907.

Laufende Überprüfung der Bedarfsplanung nach § 4 FStrAbG

Nach § 4 Abs. 1 FStrAbG ist das Verkehrsministerium verpflichtet, alle fünf Jahre zu prüfen, ob ein Anpassungsbedarf für den gesetzlichen Bedarfsplan besteht.