Meeresschutz unter Druck – Was die Weltgemeinschaft bei der UN-Ozeankonferenz beschlossen hat
Die dritte Ozeankonferenz der Vereinten Nationen (United Nations Ocean Conference, UNOC) fand vom 09. bis 13. Juni im südfranzösischen Nizza im Kontext wachsender Bedrohungen für die Weltmeere statt: Die Ozeane stehen bereits jetzt durch Versauerung, Überfischung, Überhitzung und Verschmutzung unter hohem Druck. Hinzu kommt der kürzliche Vorstoß der USA unter Donald Trump, den Beginn von kommerziellem Tiefseebergbau voranzubringen – trotz hoher Risiken, die dieser für die bislang kaum erforschten Ökosysteme in der Tiefsee bedeutet. Vor diesem Hintergrund trafen sich in Nizza politische Vertreter*innen aus rund 130 Ländern sowie zivilgesellschaftliche Organisationen, Unternehmen und Wissenschaftler*innen, um Maßnahmen zum Schutz der Meere zu diskutieren und voranzubringen.
Die UNOC soll auf internationaler Ebene zur Umsetzung des 14. Zieles für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goal = SDG) „Leben unter Wasser“ beitragen, welches die nachhaltige Nutzung der Meere und ihrer Ressourcen anstrebt. Dabei geht es unter anderem um den Schutz der marinen Biodiversität, die Verringerung der Meeresverschmutzung sowie die Stärkung von nachhaltiger Fischerei und Meeresforschung.
Internationale Regelung des Meeresschutzes
Das wichtigste internationale Abkommen zur Regulierung der Meeresaktivitäten ist das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ). Es wurde 1982 verabschiedet und trat 1994 in Kraft. Mittlerweile haben 169 Staaten sowie die Europäische Union das Abkommen ratifiziert. Eine wichtige Ausnahme sind die USA, die zwar viele Teile des SRÜ als Völkergewohnheitsrecht anerkennen, das Abkommen selbst jedoch nie ratifiziert haben – insbesondere lehnen sie den Abschnitt über den Tiefseebergbau außerhalb nationaler Zuständigkeit (das Gebiet) ab.
Der Schutz der Meere hängt in hohem Maße von internationaler Zusammenarbeit ab, denn der Großteil unserer Ozeane, die etwa 70 Prozent der Erdoberfläche bedecken, fällt – festgelegt durch das SRÜ – nicht in den Bereich nationaler Zuständigkeit. Dieser Teil der Meere – die Hohe See und das Gebiet – wird durch das Völkerrecht reguliert. Um hier wirksamen Umweltschutz durchzusetzen, müssen Staaten kooperieren und sich auf gemeinsame Regelungen und Maßnahmen verständigen. Und auch in den Gebieten nationaler Zuständigkeit ist eine Kooperation zwischen Staaten von großer Bedeutung für den Meeresschutz, denn weder Meeresökosysteme noch marine wandernde Arten orientieren sich an den von Menschen geschaffenen Grenzen und Zuständigkeitsbereichen. Der effektive Schutz der Biodiversität und die Eindämmung der Meeresverschmutzung sind daher stets eine gemeinschaftliche Aufgabe mehrerer Staaten. Da internationale Abkommen auf Konsens beruhen und Staaten weder zum Beitritt noch zum Verbleib verpflichtet werden können – wie der erneute Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen zeigt – kommt der Diplomatie und dem Dialog, etwa auf UN-Konferenzen wie der in Nizza, eine zentrale Rolle zu.
Inhalte, Ziele und Ergebnisse der UN-Ozeankonferenz
Kernthemen dieser UNOC waren die Ratifizierung des UN-Hochseeschutzabkommens, der Ausbau von Meeresschutzgebieten auf Hoher See, der Versuch, weitere Länder dazu zu bewegen, sich gegen Tiefseebergbau zu positionieren, die Reduktion von Plastikmüll in den Ozeanen, die Förderung nachhaltiger Fischerei sowie die Dekarbonisierung der globalen Schifffahrt.
Als Ergebnis wurde der sogenannte Meeresaktionsplan von Nizza beschlossen, der ein Bekenntnis der zustimmenden Staaten zum Meeresschutz, sowie eine Reihe freiwilliger Selbstverpflichtungen einzelner Länder, enthält. Diese Selbstverpflichtungen reichen von einem Zusammenschluss von 37 Ländern zur Bekämpfung von Unterwasserlärm über ein, von Deutschland initiiertes Programm zur Bergung von Altmunition aus der Nord- und Ostsee bis hin zu der Zusage der Europäischen Union, eine Milliarde Euro in den Meeresschutz, nachhaltige Fischerei und die Wissenschaft investieren zu wollen. Diese Zusage machte die EU unter dem, durch Ursula von der Leyen auf der UNOC vorgestellten Ozean-Paket der Europäischen Union. Deutschland wurde auf der Konferenz unter anderem von Umweltminister Carsten Schneider (SPD) vertreten. Nachdem die neue Bundesregierung direkt zu Beginn ihrer Amtszeit das Amt des Meeresbeauftragten gestrichen hatte, welches das vorherige Umweltministerium unter Steffi Lemke (Bündnis 90/ Die Grünen) eingeführt hatte, schauten Umweltorganisationen aus Deutschland teils mit Sorge auf das Auftreten von Carsten Schneider auf der UNOC. Dieser trat in Nizza jedoch mit klaren Forderungen für den Meeresschutz auf und forderte sowohl ein Moratorium für den Tiefseebergbau, ein internationales Plastikabkommen, sowie die Verbesserung deutscher Meeresschutzgebiete.
Der Meeresaktionsplan von Nizza bleibt rechtlich unverbindlich – umso entscheidender ist nun, ob und wie die einzelnen Staaten ihre angekündigten Zusagen tatsächlich umsetzen. Fortschritte gab es insbesondere in zentralen Handlungsfeldern wie dem Hochseeschutzabkommen, dem internationalen Zusammenschluss zum Stopp des Tiefseebergbaus sowie der Reduzierung der Plastikverschmutzung der Meere.
UN-Abkommen zu Biodiversität auf Hoher See und Meereschutzgebiete
Ein wichtiges Ziel der UNOC war, so viele Länder wie möglich dazu zu ermutigen, das UN-Hochseeabkommen zu unterzeichnen bzw. zu ratifizieren, um dessen baldiges Inkrafttreten zu ermöglichen. Das Abkommen wurde als Abkommen unter dem SRÜ 2023 verabschiedet und wird dann in Kraft treten, wenn es von mindestens 60 Staaten ratifiziert wurde. Es unterstützt unter anderem das Ziel, bis 2030 30 Prozent der Weltmeere unter Schutz zu stellen, und führt verbindliche Umweltverträglichkeitsprüfungen für Aktivitäten ein, die starke Auswirkungen auf die Hohe See haben. Auf der UNOC haben fast 20 neue Staaten das Hochseeschutzabkommen ratifiziert, und weitere Staaten haben es unterschrieben und bekräftigt, dieses bald ratifizieren zu wollen. Daher wird nach der UNOC davon ausgegangen, dass das Abkommen Anfang 2026 in Kraft treten könnte. Deutschland hat das Abkommen bereits unterzeichnet, der Prozess der Ratifizierung ist jedoch noch im Gange.
Tiefseebergbau
Die aktuelle Position der USA im Bereich des Klimaschutzes erschwert internationale Bestrebungen in diesem Bereich erheblich. Der Alleingang des Landes, Tiefseebergbau im Gebiet vorantreiben zu wollen, ist aus völkerrechtlicher Perspektive strittig und aus Meeresschutzperspektive geradezu dramatisch. Über Tiefseebergbau im Gebiet zu entscheiden, fällt laut SRÜ in den Zuständigkeitsbereich der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA). Diese hat bislang noch keine abschließenden Regelungen für den kommerziellen Tiefseebergbau verabschiedet, weshalb dieser bislang unter internationalem Recht noch nicht erlaubt wurde. Die Frage, ob Tiefseebergbau überhaupt erlaubt werden sollte, ist stark umstritten, und die Kritik am Abbau der Ressourcen der Tiefsee wächst. Zum einen wegen der hohen Wahrscheinlichkeit, dass irreversible Umweltschäden in Ökosystemen verursacht würden, deren Funktion und Wechselwirkungen mit anderen Ökosystemen die Wissenschaft gerade erst beginnt zu verstehen. Zum anderen äußern indigene Gemeinschaften starke Bedenken, aus Sorge um die Ozeane, zu denen besonders indigene Gemeinschaften aus dem pazifischen Raum, der besonders im Fokus der Tiefseebergbauindustrie steht, eine starke kulturelle Verbindung haben. Aus diesen Gründen fordern viele Staaten eine vorsorgliche Pause des Tiefseebergbaus, bis das Wissen über dessen möglichen Folgen ausreichend ist, um eine fundierte Entscheidung dafür oder dagegen treffen zu können. In Nizza wurde, besonders wegen der Sorge mit Blick auf die aktuellen Bestrebungen der USA, von vielen politischen und zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen eindringlich für einen gemeinsamen Ruf nach einer vorsorglichen Pause geworben. Einige Länder schlossen sich noch auf der UNOC diesem Ruf an, sodass sich inzwischen 37 Staaten, zu denen auch Deutschland gehört, gegen den Beginn von kommerziellem Tiefseebergbau in der jetzigen Situation stellen. Umweltschutzorganisationen wie beispielsweise Greenpeace bemängeln jedoch, dass dieser Ruf nicht im Meeresaktionsplan von Nizza festgehalten wurde.
Reduzierung der Meeresverschmutzung durch Plastik
Die Verschmutzung der Ozeane durch Plastik wird immer gravierender – geschätzt sind es aktuell 80 bis 150 Millionen Tonnen Plastikmüll, der in den Weltmeeren schwimmt. In Nizza haben daher 95 Länder, auch Deutschland, ihre Ambitionen bekräftigt, sich für eine Eindämmung der Plastikverschmutzung einzusetzen. Diese unverbindlichen Erklärungen machen Hoffnung in Bezug auf die im August 2025 in Genf anstehende Verhandlungsrunde bezüglich eines international verbindlichen UN-Abkommens zur Reduzierung der Plastikverschmutzung. Das Abkommen sollte bereits im vergangenen Jahr verabschiedet werden, jedoch waren die Verhandlungen in Südkorea hierzu ohne Einigung zu Ende gegangen.
Ausblick
Die UN-Ozeankonferenz in Nizza hat die Dringlichkeit internationalen Meeresschutzes erneut deutlich gemacht, doch viele zentrale Ergebnisse bleiben freiwillig und in ihrer Umsetzung vage. Zwar gibt es wichtige Errungenschaften – etwa die breite Unterstützung für das Hochseeschutzabkommen, sowie neue Allianzen gegen Tiefseebergbau und Plastikverschmutzung – doch echte Fortschritte hängen von der konsequenten Umsetzung der Bekenntnisse ab. Der diplomatische Umgang mit blockierenden Akteuren wie den USA und die Bereitschaft der Staatengemeinschaft, über Appelle hinaus verbindliche Maßnahmen zu ergreifen, werden darüber entscheiden, ob der Schutz der Ozeane tatsächlich gelingt. Die anstehenden UN-Verhandlungen zum Plastikabkommen im August sowie die Ratifizierungsschritte zum Hochseeschutzabkommen werden erste Wegmarken sein, an denen sich zeigen wird, ob den Absichtserklärungen von Nizza auch struktureller Wandel folgt.
Quellen und weiterführende Informationen finden Sie unter den nachfolgenden externen Links
UN ocean summit in Nice closes with wave of commitments | UN News
Europa stellt Ozean-Pakt auf UN-Ozeankonferenz in Nizza vor – Auswärtiges Amt
„Die UN-Ozeankonferenz bringt nicht nur Staaten zusammen“ – Helmholtz Home
Diesen Text hat Sofia Pérez im Rahmen ihres Praktikums bei Green Legal Impact Germany e.V. verfasst.