Brechstangenbeschleunigung mit fraglichem Effekt

Der von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachte Gesetzesentwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes soll den Ausbau des Mobilfunk- und Glasfasernetzes beschleunigen. So weit, so gut.

Bereits die Ampelkoalition wollte den Ausbau beschleunigen und hat dazu einen 114-seitigen und verschiedenste Instrumente umfassenden Gesetzesentwurf vorgelegt. Doch bevor dieser Entwurf beschlossen werden konnte, ist die Ampelkoalition auseinandergebrochen.

Nun möchte auch die neue Regierung den Ausbau der Telekommunikationsnetze erleichtern. Einziges Mittel des von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachten zwölfseitigen Entwurfs ist dabei die Schwächung des beim Ausbau zu berücksichtigen Natur- und Denkmalschutzes, indem an der „Verlegung und der Änderung von Telekommunikationslinien zum Ausbau von öffentlichen Telekommunikationsnetzen“ ein „überragendes öffentliches Interesse“ festgestellt wird.

Durch diese Formulierung darf die Errichtung oder Veränderung eines Glasfaserkabels oder eines Mobilfunkmast in einem sog. Natura 2000-Gebiet gem. § 34 Abs. 3 BNatSchG auch dann genehmigt werden, wenn das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann.

Auch vom Verbot, besonders geschützte Tier- und Pflanzenarten zu zerstören, zu beschädigen oder während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören, kann aus „zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art“ gem. § 45 Abs. 7 Nr. 5 BNatSchG eine Ausnahme erteilt werden.

Ob diese Ausnahme des § 45 Abs. 7 Nr. 5 BNatSchG unionsrechtskonform ist, wurde vom Bundesverwaltungsgericht bereits 2008 angezweifelt, da Art. 9 Abs. 1 der Europäischen Vogelschutz-Richtlinie eine solche Ausnahme nicht kennt.

Weil der EuGH bisher nicht darüber entschieden hat, ist dies bis heute fraglich (Landmann/Rohmer, UmweltR/Gellermann BNatSchG § 45 Rn. 27f).

Schon die Feststellung, dass „der Ausbau von Telekommunikationsnetzinfrastrukturen durch private Unternehmen überhaupt von „öffentlichem Interesse“ ist, ist nicht selbstverständlich, dient der Ausbau durch private Unternehmen schließlich grundsätzlich deren eigenen wirtschaftlichen Interessen“ (Fischer/Issels, IR 2025, 115 (116)).

Außerdem beschleunigt die Feststellung des „überragenden öffentlichen Interesses“ den Ausbau nicht unmittelbar. Direkt wirkt sich diese Feststellung bloß auf die Abwägung zwischen den Belangen an einem Netzausbauvorhaben und entgegenstehenden Belangen (des Natur-, Wasser- oder Denkmalschutzes) aus. Dies ermöglicht den Ausbau auch in naturschutzrechtlichen Gebieten und hat lediglich mittelbar beschleunigende Wirkung auf den Planungsprozess. Die Kommunen halten das Beschleunigungspotential dieser Regelung ebenfalls für überschaubar. Sie gehen davon aus, dass „exorbitante Preissteigerungen für Bauleistungen, Fachkräftemangel und die drastische Kürzung der Gigabitförderung des Bundes“ (S. 1) den Ausbau des Telekommunikationsnetzes stärker hemmen als die Berücksichtigung naturschutzrechtlicher Aspekte im Genehmigungsverfahren. Zudem betonen sie, dass durch die Regelung das Rechtsgut des Naturschutzes systematisch herabgestuft wird. Daher ist wichtig zu betonen, dass die Feststellung des „überragenden öffentlichen Interesses“ nicht automatisch zu einem Abwägungsvorrang zu Gunsten des Telekommunikationsnetzes führt.

Grundsätzlich ist ein beschleunigter Ausbau von Glasfaser und Mobilfunk natürlich zu begrüßen. Allerdings bestehen dafür neben der Schwächung des Naturschutzes zahlreiche weitere Instrumente. Zudem hätte bezüglich des Naturschutzes differenziert werden können, statt den Naturschutz mit der Brechstange systematisch zu schwächen.

Differenzierter Ausgleich zwischen Naturschutz und Telekommunikationsausbau 

Zum einen wird vorgeschlagen, die Privilegierung hinsichtlich des Glasfasernetzes auf eingriffsschonende Ausbauformen wie eine oberirdische oder nicht besonders tiefe unterirdische Verlegung zu begrenzen (Fischer/Issels, IR 2025, 115 (117)).

Der Bundesrat wiederum schlägt vor, ein überragendes öffentliches Interesse nur für solche Gebiete festzustellen, die bisher nicht an ein Mobilfunk- bzw. Festnetz mit sehr hoher Kapazität angeschlossen sind. Zudem sollen Nationalparke von der Regelung ausgenommen werden. Dieser Vorschlag erschient sehr begrüßenswert und auch vereinbar mit dem in Art. 87f Abs. 1 GG normierten Staatsziel, das den Bund verpflichtet, im Bereich der Telekommunikation flächendeckend qualitativ angemessene und quantitativ ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten. Zumal Nationalparke nur 0,6 % der Landfläche Deutschlands einnehmen.

Außer der Schwächung des Natur- und Denkmalschutzes vorerst keine weiteren Beschleunigungsambition

Während der Gesetzesentwurf der Ampel einen bunten Strauß an Beschleunigungsinstrumenten vorsah, beschränkt sich der aktuelle Entwurf auf die Schwächung des Natur- und Denkmalschutzes. Dabei stünden viele verschiedene Möglichkeiten für einen schnelleren und effizienteren Netzausbau bereit:
Der Gesetzesentwurf gestattet es Netzbetreibern weiter, Open-Access-Zugänge zum bestehenden Glasfasernetz strategisch zu überbauen, sodass andere Netzbetreiber neue eigene Leitungen verlegen müssen. Auch andere Anstrengungen mehr Kooperation zwischen den verschiedenen Netzbetreibern zu erwirken, um Mehrfachausbau verschiedener Betreiber auf demselben Gebiet zu vermeiden, lässt der Entwurf nicht erkennen. Eine durch sämtliche Expert:innen begrüßte (s. ua Stellungnahme-Prof-Dr-Kuehling-Uni-Regensburg.pdf, S. 7f) Erweiterung des Gigabit-Grundbuchs, um Gebiete mit Ausbaudefizit zu identifizieren, fehlt – anders als im Gesetzesentwurf der Ampel-Koalition – ebenfalls.
Schließlich wird auch der Übergang von Kupfer- zu Glasfaserkabeln, anders als u.a. vom Bundesrat (S. 33f) und dem Bundesverband Breitbandkommunikation e. V. (S. 6ff) gefordert, in dem Entwurf der GroKo nicht thematisiert. Die „mindertiefe“ und somit eingriffsschonendere Verlegung von Glasfaserkabeln wird durch die Novelle nicht, wie u.a. vom Bundesrat (S. 18f) vorgesehen, erleichtert. Für deutlich mehr Beschleunigung würde zudem eine Verpflichtung von Vorhabenträgern, Kommunen und Behörden zum Hochladen aller für das jeweilige Vorhaben relevanten Daten und Dokumente in das zentrale Geoportal sorgen, sodass diese nicht für jedes Vorhaben einzeln angefragt oder sogar neu in Auftrag gegeben werden müssten, sondern einfach abgerufen werden können (Stellungnahme Franziska Heß, S. 3). Schließlich wäre es hilfreich, „im Zuge der Digitalisierung der Verwaltung die Prozesse zu vereinheitlichen und u.a. Formulare zu standardisieren.“

Fazit

Europarechtlich tritt der Entwurf wie oben beschrieben auf dünnem Eis. Da der Gesetzesentwurf auf die durch ihn absehbar verursachten Umweltbeeinträchtigungen mit keinem Wort eingeht, steht zudem eine Verletzung der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG im Raum (s. zu den Anforderungen: BeckOK GG/Rux GG Art. 20a Rn. 29f). Somit erzeugt der vorliegende Gesetzesentwurf neben einer systematischen Schwächung des Naturschutzes erhebliche Rechtsunsicherheit und dies bei nur fraglichem Beschleunigungseffekt.
Es bleibt zu hoffen, dass die übrigen Beschleunigungsinstrumente nach der politischen Sommerpause im Rahmen der Umsetzung der Vorgaben der Gigabit-Infrastrukturverordnung der EU aufgegriffen werden.

Ergänzung (30.06.2025):

Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes ist am Donnerstag, den 26.06.2025, vom Bundestag unverändert angenommen worden. Für die Gesetzesänderung stimmten CDU/CSU, AfD und SPD, dagegen votierte die Linksfraktion. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielt sich.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hob hervor, dass die Belange des Umwelt- und Denkmalschutzes angemessen berücksichtigt werden müssten. Zudem sei kritisch, dass im Gesetzentwurf keine verbindliche Evaluierung oder Wirksamkeitskontrolle vorgesehen ist. Weitere Maßnahmen zur Beschleunigung oder Verhinderung des Doppelausbaus würden ebenso fehlen

Weiterführende Informationen

Diesen Text hat Laurens Teifke im Rahmen seines Praktikums bei Green Legal Impact Germany e.V. verfasst.

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